Medizinische Hilfe
Im medizinischen Alltag spielen Nahrungsmittelvergiftungen mit Clostridium botulinum keine große Rolle mehr. Lebensmittelüberwachung und Gesundheitsämter sorgen dafür, dass unsere Lebensmittel sicher sind. Wegen der Seltenheit der Krankheit kennen aber auch nur noch sehr wenige Ärzte die Beschwerden einer solchen Botulinumvergiftung, so dass die richtige Diagnose im konkreten Fall oft schwierig ist.
Frage: Woran erkennen Ärzte überhaupt eine Vergiftung mit Botulinumtoxin?
Dr. Bresser: Seit etwa 100 Jahren verstehen Ärzte, warum Menschen an Wurstgift oder verdorbenen Konservendosen sterben können. Doch das Erkennen der Krankheit ist schwierig. Spezielle Bluttests auf Botulismus sind sehr kompliziert. Oft müssen die Erreger zur endgültigen Diagnose aus verdorbenen Lebensmitteln angezüchtet werden – was in manchen Fällen bis zu einer Woche dauern kann. Eine Früherkennung der Krankheit ist daher nur anhand der Beschwerden des Kranken möglich. An eine Botulinumtoxin-Vergiftung sollte der Arzt denken, wenn plötzlich mehrere Menschen seiner Praxis unter Muskelschwäche, Augenmuskelproblemen und Sehstörungen leiden. Meist werden die Beschwerden anfangs als Nervenkrankheit fehlgedeutet.
Die Diagnose „Botulinumtoxin-Vergiftung“ ist sehr aufwändig.
Frage: Was geschieht nach der Diagnosestellung?
Dr. Bresser: Die medizinische Behandlung einer Botulinumtoxin-Vergiftung ist noch immer ein Alptraum für alle Beteiligten. Nach erfolgreicher Diagnose muss möglichst rasch gehandelt werden, da das Gift tödlich sein kann. Leider zeigen sich aber auch im Behandlungsrepertoire der Medizin große Lücken. Zwar kennen wir seit vielen Jahren verschiedene Gegengifte (Antitoxine) gegen Botulinumtoxin. Diese Antitoxine wirken aber nur gegen das frei im Blut kreisende Gift und müssen möglichst früh gegeben werden. Sie sind nicht sehr effektiv. Am wichtigsten im Krankheitsfall ist daher noch immer eine rein symptomatische, lebenserhaltende Behandlung auf der Intensivstation des Krankenhauses. Dorthin wird jeder Vergiftungsfall möglichst rasch verlegt und danach kontinuierlich überwacht. Durch künstliche Beatmung, Herzmedikamente und andere Maßnahmen wird versucht, die mehr oder weniger gelähmten Körperfunktionen so lange künstlich zu erhalten, bis das Gift vom Körper wieder abgebaut wurde.
Frage: Können wir uns wenigstens durch eine Impfung vor einer solchen Vergiftung schützen?
Dr. Bresser: Trotz jahrzehntelanger Forschung ist eine sicher wirksame und nebenwirkungsarme Impfung nicht in Sicht. Zwar gibt es einen Impfstoff gegen fünf Giftmolekültypen, er ist aber über 30 Jahre alt. An neuen Gen-Impfstoffen wird geforscht; sie würden einen hohen Schutz bei guter Verträglichkeit bieten. Der amerikanische „Krieg gegen den Terror“ hat auch den Forschungslaboratorien Rückenwind gegeben, die sich mit dem BTX-Impfstoff befassen, denn jede Armee der Welt möchte ihre Soldaten gegen Giftangriffe impfen können.